Heute Nacht werden wieder die Uhren auf Sommerzeit gestellt. Es interessiert mich wie ihr dazu steht. In der verlinkten Umfrage möchte ich wissen, ob ihr für oder gegen eine Abschaffung der Sommerzeit seid oder ob es euch komplett egal ist.
Zwischenstand nach 100 Stimmen
Endergebnis nach 196 Stimmen
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Kurzfassung: Chronobiologie
Etwas längere Fassung: Unser biologischer Tagesrhythmus wird ständig durch Tageslicht nachjustiert. Je besser dein Tag zum Tageslicht passt, desto besser justiert ist dein Tagesrhythmus und damit auch dein Schlafrhythmus. Im Sommer gibt es jede Menge Zeit mit Tageslicht und eine Verschiebung “deines” Tages, um eine Stunde fällt wenig ins Gewicht. Im Winter gibt es wenig Tageslicht und da auch noch nach “Sommerzeit” die Zeiträume zu maximieren, in denen du im Dunkeln aufstehtst und zur Arbeit gehtst und im Dunkeln wieder den Heimweg antrittst, ist eher schädlich.
Andererseits sind dann auch noch die Umfragen für’n Eimer. Fragst du nach Sommerzeit vs Winterzeit gewinnt die Sommerzeit immer eindeutig, fragst du nach Normalzeit (die “Winter”-zeit…) sieht das Ergebnis völlig anders aus.
Es gibt also nichts dümmeres als die Entscheidung demokratisch statt nach wissenschaftlichen Erkenntnissen zu fällen. Die Menschen assozieren positive Dinge mit Sommer, während in Wahrheit die Sommerzeit (nicht so sehr im Sommer, wo es eh viel Licht gibt, aber den Rest des Jahres…) für unseren Alltag schädlicher ist.
(PS: Die deutliche Mehrheit der Menschen -mehr als 80% wenn ich das Recht in Erinnerung habe- hat heute schon Probleme mit der Diskrepanz zwischen gesellschaftlich aufgezwungenem Tagesrhythmus und ihrem natürlichen. Da noch durch permanente Sommerzeit einen drauf zu setzen, ist das Patentrezept für mehr Schlafstörungen und in der Folge mehr Depressionen und massenweise unspezifische Krankheitssymptome.)
D.h. für Langschläger wäre die dauerhafte Sommerzeit besser.
Nee, andersrum.
Menschen haben grob einen 24 Stunden Rhythmus, aber eben nur grob. Wir sind schlechte Uhrwerke. Die regelmäßige Nachjustierung der inneren Uhr entsteht hauptscählich durch Sonnenlicht.
Es gibt die, deren natürlicher Rhythmus kürzer als 24 Stunden ist. Die sind dann am Ende des Tages etwas früher müde und wachen schon bevor der Wecker klingelt auf, denn ihr “24 Stunden Tag” ist z.B. schon nach 23½ Stunden rum. Diese Meschen haben eher wenig Probleme im Alltag, denn niemand hält dich davon ab abends mal ein paar Minuten früher schlafen zu gehen.
Und denen hilft später Sonnenauf- und Sonnenuntergang. Denn das Tageslicht reguliert den biologischen Zyklus näher zu den idealen 24 Stunden hin. Wenn die also morgens eigentlich 'nen neuen Tag anfangen wollen, aber es noch dunkel ist, sagt das ihrem Körper, “Schlaf ruhig noch ein wenig weiter”. Und wenn es gegen Ende des Tages noch hell ist, heißt das “mach noch paar Minuten länger, bis du dich auf die Nacht und Schlaf vorbereitest”. Diese Menschen sind in Minderheit.
Und dann gibt es die, deren Rhythmus länger als 24 Stunden ist. Die haben selbst, wenn sie sich anstrengen früher schlafen zu gehen, Probleme einzuschlafen, und wollen, wenn der Wecker klingelt und der neue Tag losgeht, eigentlich noch 'ne halbe Stunde länger schlafen, weil ihr persönlicher Wach/Schlaf-Zyklus ist z.B. eher 24½ Stunden lang ist.
Das sind die vermeintlichen Langschläfer und denen hilft ein früher Sonnenauf- und untergang, weil das dem Körper signalisiert, “es wird hell, werd’ langsam wach” oder “es wird dunkel, also bereite dich schonmal auf’s Schlafen vor”, auch wenn der natürliche Rhythmus dem widerspricht. Das sind auch die Leute, die größere Probleme haben, weil sie unter regelmäßigem Schlafmangel leiden und bei ihnen, im Gegensatz zum ersten Typus, “ich schlaf noch ein paar Minuten länger, bevor ich aufstehe”, keine gesellschaftlich akzeptierte Option ist. Diese Menschen sind außerdem in der Mehrheit.
Sommerzeit hilft biologisch gesehen also den Frühaufstehern, die ohnehin weniger Probleme haben und in der Unterzahl sind, sich näher an den idealen 24 Stunden Tag zu orientieren. Währendsessen hilft Winterzeit den “Langschläfern”, die auf Grund unserer gesellschaftlichen Geflogenheiten auch viel stärker unter der Diskrepanz zwischen eigenem Rhrythmus und 24 Stunden-Zyklus leiden, ihren natürlichen Rhytmus mehr in Richtung ideale 24 Stunden zu kürzen.
Es geht nicht darum, ob Sonnenauf- und Untergang besser zur ihrem persönlichen Empfinden passt, sondern im Gegenteil darum, dass der Tagesrhythmus, der nicht zu ihrer inneren Uhr passt, ihnen hilft sich besser an den tatsächlichen 24 Stunden Tag anzupassen.
Ich kann das nicht nachvollziehen. Als Langschläfer ist die Sonne so oder so schon längst da, wenn ich aufstehe. Aber bei der Sommerzeit habe ich noch mehr vom Abend. Auch im Winter, wenn sie schon viel früher untergeht bin ich noch bis über Mitternacht wach.
Das ist anekdotisch. Du magst da mit deiner Erfahrung vollkommen Recht haben. Aber die wissenschaftliche Forschung sagt halt, dass es noch viel schlimmer wäre, wenn der Sonnenaufgang dank permanenter Sommerzeit 'ne Stunde später wäre.
Und ich bezweifele einfach, dass noch mehr Schwierigkeiten Nachts einzuschlafen und noch mehr Schlafmangel durch 'ne Stunde mehr Sonne am Abend ausgeglichen werden, auch wenn es sich für dich so anfühlt, weil du die Stunde mehr Sonne direkt wahrnimmst, aber deine Schlafstörungen eben nicht mit der direkten Ursache in Verbindung bringst.
Welche Schlafstörung und welcher Schlafmangel? Und wieso “noch schlimmer”? Du redest hier Probleme herbei, wo es keine gibt.
Aber genauso ist es doch schon im Winter: Im Dunkeln zur Arbeit (eventuell sieht man den Sonnenaufgang auf dem Arbeitsweg), im Dunkeln nach Hause (eventuell sieht man den Sonnenuntergang auf dem Arbeitsweg).
Sommerzeit im Winter würde dieses Problem nicht nur verschlimmern, sondern die psychisch anstrengende Zeit im Jahr auch deutlich verlängern. Du würdest noch früher im Jahr im Dunkeln starten und erst später wieder mit Tageslicht aufwachen können, und im tiefsten Winter müsstest du gefühlt mitten in der Nacht aufwachen.
Dunklere, längere Winter wären der Haupteffekt der dauerhaften Sommerzeit, und eben nicht ein bisschen mehr Sommer-Feeling im Winter, was viele fälschlicherweise zu hoffen scheinen.
Gibt es dazu auch Belege? Ich habe das ja schon in Spanien erlebt und fand es sehr gut für mein Wohlbefinden. Und warum genau es da “dunklere längere” Winter geben soll ist mir nicht klar. Die Länge der Sonnenstunden ändert sich ja nicht, man hat nur mehr Gelegenheit, sie auch tatsächlich auf der eigenen Haut zu spüren.
Weil für die innere Uhr das Aufstehen bei Tageslicht vs. Dunkelheit viel relevanter ist als die Länge der hellen Feierabende. (Und die sind im Winter eh dunkel, selbst unter Sommerzeit.)
Wissenschaftlich ist das auch nicht umstritten. Kannst gern selbst suchen (zum Beispiel mit dem Begriff “permanent daylight saving time” auf Google Scholar, hier z.B. ein Studienergebnis von 2022). Erfahrungsgemäß sind Menschen ihre persönlichen Erlebnisse oder Anekdoten, wie deine aus Spanien, am Ende ja meistens wichtiger, insofern rechne ich eher nicht damit, hier jetzt großartig Meinungen ändern zu können, finde aber wichtig es immer wieder mal zu platzieren. Könnte ja z.B. gut sein, dass es für dich in Spanien noch andere Faktoren fürs Wohlbefinden gab - zum Beispiel die Tatsache, dass du im sommerlich südlichen Spanien warst und es eh wärmer und heller hattest. Wissenschaftlich spricht das meiste für die dauerhafte Normalzeit, und nicht für Sommerzeit. Und das ist zumindest ne Perspektive, die man berücksichtigen sollte.
Den biologischen Mechanismus, und warum Winterzeit deshalb der Mehrheit, die auch noch die größeren Probleme hat, hilft, hab ich in diesem Kommentar weiter oben beschrieben.